Zum Tode von Wolfgang Rihm

„Musik steht eben doch nicht nur im Hier und Jetzt, sondern ist ausgebreitet über Vorher, Jetzt und Später.“ (Wolfgang Rihm)

Wir trauern um Wolfgang Rihm. Mit ihm hat ein großer Geist diese Welt verlassen. Ein kreativer Schöpfer, ein vollkommener Künstler, ein besonnener Denker, eine kraftvolle Stimme der Gegenwart und ein großzügiger, dem Leben zugewandter Mensch. Unser Mitgefühl gilt seiner Familie. Was er geschaffen hat, wird bleiben.

Wolfgang Rihm ist seit 2004 aus der Geschichte des Heidelberger Frühling nicht mehr fortzudenken. So viele Räume haben sich mit und durch ihn geöffnet, so viele Entscheidungen sind mit ihm verbunden, so viele große Ereignisse sind durch ihn mitgeprägt worden. Wortgewaltig hat er sich, auch mit Stift und Papier, bereits früh für das Festival eingesetzt. Und immer wieder tauchte er, mitunter unerwartet, beim Heidelberger Frühling auf, um dann den Saal mit seiner faszinierenden Präsenz zu füllen. Die tiefe, konzentrierte Aufmerksamkeit, die er den Werken und Worten seiner jungen Kolleginnen und Kollegen – zumeist Schüler – zollte, sein beseeltes „Hören-Verstehen-Begreifen-Wollen“, die Anerkennung, mit der er den jungen Musikerinnen und Musikern begegnete, mit der er sie herausforderte und forderte, war außerordentlich und berührend.

Unsere Verbindung zu Wolfgang Rihm begann, als das Minguet Quartett seine „Vier Studien zu einem Klarinettenquintett“ beim ersten Teil der Widmann-Trilogie 2004 aufführte, einem Festivalschwerpunkt seines Schülers Jörg Widmann. Für den dritten Teil der Widmann-Trilogie 2006 komponierte er auf dessen Bitten für den Heidelberger Frühling das Trio „Das Namenlose“ in der Besetzung von Schuberts „Der Hirt auf dem Felsen“. Die Uraufführung durch Mojca Erdmann, Jörg Widmann und Axel Bauni geriet zu einem der unvergessenen Ereignisse in der Festivalgeschichte.

Wolfgang Rihm wurde seit dieser Zeit zu einem wichtigen Berater und Ideengeber. So begleitete er von 2007 bis 2010 die Arbeit des „Frühling“ mit jungen Komponisten, indem er gemeinsam mit Matthias Pintscher die Idee des „Heidelberger Atelier“ entwickelte.

Er wurde aber auch zum Freund. Und so widmete der Heidelberger Frühling ihm 2012 zu seinem 60. Geburtstag „Ein Fest für Wolfgang Rihm“. 2022 stellte das Heidelberger Frühling Streichquartettfest ihn und sein Quartettschaffen in den Mittelpunkt. Er war da. Trotz aller gesundheitlichen Widrigkeiten. Diese vier intensiven und eindrücklichen Tage mit und um einen hellwachen, scharfsinnigen und ungemein humorvollen Wolfgang Rihm waren ein Geschenk, dessen Einmaligkeit und Größe uns schon damals bewusst waren.

Bis heute wurden beim Heidelberger Frühling 35 seiner Werke regelmäßig aufgeführt. Diese Liste wird kontinuierlich weitergeschrieben. Wir werden seine Anwesenheit schmerzlich vermissen – und ihn doch weiterhin durch seine Musik um uns haben.

Danke für alles, lieber Wolfgang!